BaumKappungen sind frefelei  

Kappungen werden oft unwissentlich von Laien aber auch von selbst ernannten Profis vorgenommen, weil sie sich der Folgen nicht bewusst sind. Sie sehen, dass der Baum im nächsten Frühjahr wieder munter austreibt und folgern daraus, dass alles in Ordnung wäre. Ist es aber nicht. Die Vitalität des Baums wird zwar durch Kappungen nicht zwingend vermindert, besonders wenn sie im Winter durchgeführt werden. Junge und vitale Bäume lagern Reservestoffe im Stamm ein und treiben im Frühjahr mit geballter Kraft wieder neu aus. Das Problem ist ein anderes.


Mit Schnittzeit, dem Thema des angesprochenen Artikels, hat diese Maßnahme nur am Rande zu tun. Solche Maßnahmen sind für Baumpfleger und auch für die ZTV-Baumpflege normalerweise ein No-go! Der Fachbegriff für diese Maßnahme lautet „Kappung“. Kappungen macht man eigentlich nur bei akuter Gefahr, wie beispielsweise bei drohendem Astbruch, der nicht mit anderen Maßnahmen (z. B. mit Kronensicherungssystemen) verhindert werden kann, oder bei anderen zwingenden Gründen, aus denen Äste entfernt werden müssen. Denn diese „Amputation“ schädigt den Baum massiv. 

ARGUMENTE GEGEN KAPPUNGEN:

Es gibt zwei wesentliche Argumente, warum mKappungen besser vermeidet.

1. DER BAUM WIRD HOHL

Der Baum fault von den Schnittstellen ausgehend in den Stamm hinein. Dadurch wird der Stamm hohl. Die äußeren Jahrringe der Bäume kommen mit solchen Verletzungen meist zurecht. Erst einmal sterben an der Schnittstelle die älteren Jahrringe ab. Diese sind bei vielen Baumarten für die Vitalität nicht ganz so wichtig. Der Baum höhlt von dieser Stelle ausgehend langsam aus. Nach und nach, mit dünner werdender, tragender Restwandstärke (äußere Jahrringe) leiden die Standfestigkeit des Baums und die Bruchfestigkeit der Äste. Dann wird ein hohler Baum zum statischen Problem (Verkehrssicherheit). Die Lebenszeit verkürzt sich. Allerdings fällt es uns Menschen oft schwer, das zu registrieren. Wie sollen wir auch, wenn die Folgen erst in 10, 20 oder 50 Jahren zum Tragen kommen und der Baum statt 100 nur noch 50 Jahre lebt.

2. ASTANBINDUNG DER NEUTRIEBE IST SCHLECHT

Neu austreibende Äste haben eine schlechte Anbindung. Sie wachsen nicht ausgehend vom Zentrum, der Stammmitte, und sind nicht mit den Jahrringen verzahnt, sondern wachsen aus den äußeren Stammschichten. Die Neutriebe werden von Jahr zu Jahr dicker, länger und schwerer und werden aufgrund der schlechten Anbindung sukzessive akut bruchgefährdet. Nur ursprünglich primäre Äste, die aus Knospen von einjährigen Ästen (auch der Stamm war mal ein einjähriger Ast) über die Jahre mitgewachsen sind, sind gut „verzahnt“ und i. d. R. sehr stabil (es gibt Ausnahmen). Das ist ab dem Zeitpunkt einer Kappung für alle Neuaustriebe nicht mehr gegeben. Deshalb sollte man nicht ohne guten Grund Primäräste absägen. Am besten ist es deshalb, wenn irgend möglich auf Kappungen zu verzichten.
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FOLGEN VON KAPPUNGEN

Kappungen haben auch bezüglich des künftigen Pflegeaufwands Konsequenzen. Aufgrund der oben dargestellten schlechten Astanbindung am Stammkopf ist es notwendig, alle zwei bis fünf Jahre die Krone zu pflegen und zu schneiden. Aus Sicherheitsgründen (Ausbruchgefahr) sind verstärkte Baumkontrollen notwendig, aus denen die notwendigen Schnittmaßnahmen abgeleitet werden. Dieser künftig anfallende höhere Kontroll- und Pflegeaufwand ist deshalb in den meisten Fällen mit höheren Folgekosten verbunden. Seriös kann man Kosten aber nur bewerten, wenn man diese anhand eines konkreten Falls durchspielt. Denn ganz ohne Kontroll- und Pflegeaufwand kommen auch fachlich optimal geschnittene Bäume nicht aus.

DÜRFEN WIR BÄUME KAPPEN?

Es liegt am Ende an uns, wie wir bewerten, was das Bild zeigt. Hat jeder Baum, den wir künstlich irgendwo pflanzen, das Recht, möglichst unbehelligt alt zu werden? Oder haben wir als „Schöpfer“ des Baums das Recht, ihn zu verunstalten oder zu gestalten – auch auf Kosten der Lebenszeit des Baums? An diesem Punkt wird die Diskussion schon philosophisch und schwierig.

WERDEN BÄUME DURCH KAPPUNGEN VERUNSTALTET?

Ich behaupte, gelernte Baumpfleger würden das in der Mehrheit mit „ja“ beantworten – ich auch. Manch ein Schrebergärtner, Laie oder Eigentümer ist da erwiesenermaßen anderer Meinung. Vielleicht sind sie nicht aufgeklärt und gehen von falschen Vorstellungen aus. Es gibt aber auch aufgeklärte Laien und sogar einige Fachleute, die in Kappungen eine gestalterische Wertigkeit, vielleicht sogar Kunstform sehen. Möglicherweise wird kein Wert darauf gelegt, dass die Bäume alt werden. Die Praxis zeigt, dass viele Leute das Erscheinungsbild dieser künstlichen Baumformen gar nicht stört, dass sie sie sogar schön finden. Wo Geld keine Rolle spielt, dürften auch höhere Folgekosten durch erhöhten Kontroll- und Pflegeaufwand nicht stören.

SIND GEKAPPTE BÄUME SICHERER?

Wenn gekappte Bäume nicht regelmäßig gepflegt werden, werden sie ziemlich schnell zu Problembäumen mit verminderter Verkehrssicherheit. Bei regelmäßiger Pflege und Einkürzung der Äste hat man immerhin nicht das Problem, dass schwere Äste ausbrechen und auf den Spielplatz fallen und möglicherweise Menschen verletzen oder gar töten. Aus fachlicher Sicht kann man aber sagen, dass das auch ohne solche Verstümmelungen mit geeigneter Pflege sichergestellt werden kann.

FREIE SICHT DURCH BAUMKAPPUNGEN?

Freie Sicht ist mit Sicherheit auch ein Wert. Wer aber bewertet, welchen Wert die freie Sicht und welchen ein Baum mit natürlicher Krone hat?

KANN MAN DIE BLATTMASSE BZW. DAS FALLLAUB DURCH KAPPUNGEN REDUZIEREN?

Oft stört Baumbesitzer der Dreck und die Arbeit, die abfallende Blätter verursachen. Kappungen lösen das Problem jedoch nicht. Denn im Frühjahr treiben die Bäume wieder kräftig aus, wenn die Kappungsmaßnahmen nach dem Laubfall erfolgt sind – sie explodieren förmlich. Neutriebe stehen dicht beieinander und bilden eine dichte Blattmasse. Und schon im ersten Jahr nach der Kappung fallen deshalb wieder große Laubmassen an, die mit den Jahren weiter zunehmen.

MIT KAPPUNGEN BAUMFÄLLUNGEN VERHINDERN?

Es ist auch möglich, dass Auftraggeber und Ausführende die Nachteile bewusst in Kauf genommen und aus ihrer Sicht das Bestmögliche getan haben. Denn vielleicht stand zur Debatte, die Bäume zu fällen. Gründe dafür könnten sein, dass man auf Spielplätzen keine „gefährlichen“, großen Bäume haben möchte. Deshalb könnte es sein, dass das Kappen der Bäume der Kompromiss war, um die Bäume noch ein paar Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte stehen lassen zu können und sie aus diesem Grund bewusst als „Hecke“ gepflegt werden.

SIND KAPPUNGEN BAUMZERSTÖRUNG?

Jenseits von Sinn und Unsinn dieses Baumschnitts haben die Bäume auf alle Fälle Potential, ein Gerichtsfall zu werden. Dazu braucht es aber einen Kläger, am Besten einen Baumgutachter. Wenn Sie der Besitzer dieser Bäume sind, nicht über die Probleme dieser Schnittform aufgeklärt wurden und mit der „Notmaßnahme“ nicht einverstanden sind, haben Sie gute Chancen, mit einer Schadensersatzklage gegen die ausführende Firma erfolgreich zu sein. Das aber müssen Sie mit Anwalt und Baumgutachter diskutieren.